Dienstag, 25. September 2007

Schweizer Presse versus Google (news.google.ch)

Vergangenen Donnerstag und Freitag fand der Jahreskongress des Verbands Schweizer Presse statt. Da netznews.tv nicht als Presse akkreditiert war, haben wir davon leider keine Videoaufnahmen, weshalb unser heutiger Post in elektronischer Print-Form erscheint... ;-)

Wie der Verbandspräsident Hanspeter Lebrument in seiner Schlussrede ausführte, habe Google Angst vor der Schweizer Presse. Der im Persönlich genannte Widerspruch aus dem Plenum kam von netznews.tv, weshalb wir im Folgenden die Thematik etwas genauer analysieren.

Kurz zur Chronologie:
Am 28.08. erschien auf Persönlich ein Artikel, dass die Schweizer Medienhäuser eine Konkurrenz zu Google News planen. Dem Artikel nach, suchten die Verleger bereits seit Anfang Jahr intensiv nach Mitteln und Wegen, wie die Wilderei des Internetriesen auf den Websites der Schweizer Zeitungsverlage wirkungsvoll eingedämmt werden könnte. Insbesondere seien die Verlage künftig nicht mehr gewillt zu verschenken, wofür sie Geld bezahlen. Gleichzeitig seien mehrere Verlage daran, eine gemeinsame Alternative zu Google News zu entwickeln.

Am 02.09. verkündete Google inskünftig Agenturmeldungen direkt in Google News einzubinden.

In der Folge wurde die Diskussion verschiedentlich in der Blogosphäre aufgegriffen, so z.B. bei Namics, Andreas Göldi sowie Andreas Göldi Teil 2, Josefa Haas und weiteren...

Am 21.09. fand nun der Jahreskongress statt, an dem Andreas Schönenberger, Country Manager Schweiz, von Google ein Referat hielt, das, wie sich in den nachträglichen Diskussionen feststellen liess, von den meisten Kongress-Teilnehmern nicht verstanden wurde und als "flau" bezeichnet wurde. Doch was genau hat Schönenberger gesagt?

Referat Andreas Schönenberger, Country Manager Google Schweiz, am Jahreskongress Schweizer Presse 2007

"Das Internet bringt eine Disruption, wie wir sie bei Gutenberg gesehen haben." weiter "Lassen Sie uns mal anschauen, wie die Jungen Leute von heute das Internet auch benutzen. Sie benutzen das Internet um News zu lesen, mit Freunden Fotos auszutauschen, den Weg zum nächsten Event zu finden, oder zu telefonieren. Also eine ganz neue Art wie das Internet gebraucht wird."

Damit meinte Schönenberger wohl, dass das Internet nicht wie im "Web 1.0" nur zum Auffinden von Informationen genutzt wird (was der primäre Nutzen einer print-basierten Zeitung ist) sondern, dass dieses Medium eben über weitergehende, nachhaltige, interaktive USP's verfügt, welche beispielsweise Radio und TV gegenüber Print nicht hatten.

Im Anschluss stellte Schönenberger, die verschiedenen Google Services, vor, wobei er auf freundliche, wenn auch unbestimmte Weise, den Verlegern Hand reichte diese richtig zu nutzen:

Google Search:
Interessanter Weise zeigte Schönenberger einen Screenshot zum Keyword "ferrari" der basierend auf Google's Universal Search, auch die News-Ergebnisse bereits in den normalen Web-Ergebnissen anzeigte,obwohl dies in der Schweiz mit der selben Query noch nicht funktioniert. Die zwei integrierten News-Links waren von Financial Times Deutschland und hatten daneben einen Verweis "20 weitere Artikel" resp. "42 weitere Artikel".

Somit signalisierte er, die wachsende Bedeutung der News-Suche und nochmehr, die Wichtigkeit der entsprechenden Optimierung der eigenen Newsfeeds, damit möglichst die verlagseigene News-Story dort erscheint.

Liebe Verleger, wäre es wirklich so schlecht für Sie, wenn jemand "Blocher-TV" bei Google eingibt, und neben dem Link zur Blocher-Page auch der Link zum entsprechenden Artikel Ihrer Zeitung stehen würde?

YouTube
Schönenberger erwähnte weiter das Video-Portal YouTube, das ebenfalls zum Google-Konzern gehört und gemäss Berichten an europäischen Versionen arbeitet. YouTube Videos werden seit Einführung der Universal Search ebenfalls in den Suchresultaten von Google Search gelistet.
Verleger, die nebst einer Zeitung auch über Video-Beiträge verfügen, beispielsweise durch ein eigenes Regional-Fernsehen, wären wohl gut damit beraten, sich eine Online-Video-Optimierungs-Strategie zu erarbeiten, damit diese Videos möglichst auch in die Suchergebnisse von Google einfliessen und nicht diejenigen einer anderen Online-News-Redaktion, welche nicht dem Verband angehört...

Google Maps und Google Earth
"Unser Ziel ist es, Plattformen zu haben, die den Menschen helfen, die originäre Information zu finden. Unser Ziel ist nicht, Inhalte zu besitzen."
Google Maps und Google Earth sind zwei Produkte, die sich hervorragend eignen, als Mashup in die eigene Website einzubinden. Verschiedentlich wurde dies in den USA bereits mit News-Meldungen versucht.

Verleger mit einer cleveren Online-Strategie würden besser auf Google zugehen und beispielsweise für die eigene Region eine News-History-Karte erstellen, auf der zu jeder Newsstory die entsprechende Stelle auf einer Karte markiert würde, so könnten Bewohner der entsprechenden Region verfolgen, was sich an jedem beliebigen Ort in der Vergangenheit abgespielt hat und Verleger könnten den zusätzlichen Traffic kommerzialisieren.

Google News
(Folientitel: "Google News: lead users to content providers")

Bezüglich dieses seitens der Verleger umstrittenen Bereiches, sei es das Ziel von Google, "die Inhalte so aufzubereiten, dass die Leute diejenigen Artikel finden, die sie im Netz interessieren".
Dabei zeigte er, anhand von Beispielen, wieviel prozentualer Traffic bei einzelnen Mitgliedern des Verbandes Schweizer Presse durch Google und Google-News erzeugt werden.

Weiter erklärte Schönenberger, dass man bei Google eine fundamentale Veränderung in der Nutzung von Medienseites beobachte, dem sogenannten Unbundling. Hierbei würden Themen aus den Zeitungen aufgegriffen und auf themen-spezialisierten Seiten vertieft behandelt.

Als Inhalte-Anbieter müsse man sich inskünftig überlegen, was genau der USP sei, weshalb der Leser zu einem selbst komme und nicht zum Mitbewerber.

Verleger werden sich diesbezüglich überlegen müssen, ob beispielsweise ein Journalist einer ländlichen Region, der die Ressorts Ausland, Wirtschaft und Sport betreut, qualitativ tatsächlich besser über ein Ereignis im Nahen Osten schreibt, als jemand einer nationalen Zeitung, der über ein weitreichendes Korrespondentennetz verfügt.
Für Verleger stellt sich daher die Frage, in welchen Bereichen Sie über einzigartiges redaktionelles Know-how verfügen, und wie sie dieses bestmöglich zur nachhaltigen Wertgenerierung einsetzen können.

Schönenberger schloss sein Referat mit dem Fazit: "Im Internet ist das, was Wert generiert schlussendlich Traffic und mittels diesm kann man Revenues generieren." und einem chinesischen Sprichwort: "Wenn der Wind aufzieht, bauen einige Menschen Mauern, andere bauen Windmühlen".

Überlegungen bezüglich einer Klage gegen Google
Es erstaunt etwas, dass der Verband Schweizer Presse die juristischen Erfolgsaussichten einer Klage gegen Google positiv beurteilt.
So haben die Verleger erst jüngst eine Klage vor Bundesgericht verloren, die festhielt, dass elektronische Pressespiegel keine Bewilligung der Verlage benötigten. Nun kann argumentiert werden, dass es in diesem Fall primär um die finanzielle Abgeltung der Autoren-Rechte ging, doch ist interessant zu lesen, dass in den Anträgen der klagenden Verlage, dem beklagten Pressedienst nicht die Verbreitung der Inhalte untersagt werden soll, sondern es sei dieser lediglich zu verbieten, hierfür Vergütungen zu erheben.

Interessant wäre also die Argumentation seitens Google, dass der Dienst Google News lediglich ein kostenfreier Presse-Clipping Dienst für Private sei, welcher gestützt auf Art. 19 Abs. 1 URG veröffentlichte Werke zum Eigengebrauch der User verwende. Denn nach Rechtssprechung gilt als Eigengebrauch unter anderem das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen für die interne Information oder Dokumentation.

Weiter gilt als richtugsweisendes Urteil des Bundesgerichts der Spidering-Fall, bei dem mehrere Online-Plattformen und ein Verlag erfolglos gegen eine Aggregations-Plattform vorzugehen versuchten.

Und wenn man noch ein Urteil aus Deutschland (Paperboy) mitberücksichtigen will, so findet man auch dort den Leitsatz: "Wird ein Hyperlink zu einer Datei auf einer fremden Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk gesetzt, wird dadurch nicht in das Vervielfältigungsrecht an diesem Werk eingegriffen."

Die Verlage sollten sich also eine Klage gegen Google gut überlegen. Nun kann die Überlegung natürlich sein, dass man versucht Google zu einem teuren Vergleich zu bewegen und einige Milliönchen zu lösen, doch ist davon auszugehen, dass ein solches Verfahren doch einige Jahre dauern würde, bis man sich auf einer vernünftigen Basis findet. Die Zeit läuft in diesem Fall aber für Google und gegen die Verlage.

Folgerungen

Anstatt sich auf langjährige Prozesse mit unsicheren Ergebnissen einzulassen sollten Verlage folgende Schritte unternehmen, um sich auf die Online-Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten:

- akzeptieren, dass Aggregationsplattformen inskünftig nicht zu vermeiden sind, zumal die Verlage selbst diesen Trend aktiv fördern
- eine klare und vorausschauende Online-Strategie entwickeln, inkl. redaktionelle USPs eruieren
- proaktive Daten-Feeds (bspw. RSS) ihrer News einrichten und mit AdTags versehen, damit die Online-Reichweite gesteigert werden kann
- Tools einbinden, welche die viralen Effekte des Internets fördern
(auf www.suedostschweiz.ch können Sie beispielsweise einen guten Artikel noch immer nicht an Freunde senden...)
- sich mit Begriffen wie SEO, Conversion-Tuning, AdQuality vertraut machen
- die ihnen zur Verfügung stehenden offline Reichweiten nutzen, um neue online Marken aufzubauen, damit diese zukünftige Ertrags- und Reichweiten-Rückgänge kompensieren können
- sich mit contextuellen und lead-basierten Werbemodellen vertraut machen, da diese in den kommenden 36 - 48 Monaten beginnen werden, die traditionellen Werbemodelle preislich unter Druck zu setzen

Denn entgegen einer kürzlich publizierten Verleger-Ansicht können auch "Blogger" guten und glaubwürdigen Journalismus betreiben. Sollten die Verlage online nicht gefunden werden, werden es inskünftig andere sein (bspw. Personen mit einem speziellen Fachinteresse), die Nachrichten schreiben und verbreiten und dank Aggregatoren wie Google auch gefunden werden.



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-> Siehe auch: Interview des KleinReport mit Hans-Peter Rohner

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5 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

Sehr gut und klar formulierte Zusammenhänge und Hintergründe.

25. September 2007 um 11:55  
Blogger PhilippWuermli meinte...

Gratulation. Ich habe selten solch ein gut recherchierten Bericht gelesen. Eigentlich müsste bei Dir nun einige Anfragen einkommen, denn wie es aussieht, verstehst Du wirklich etwas vom Business...

25. September 2007 um 13:02  
Anonymous Anonym meinte...

Danke für diesen Bericht. Jetzt ist selbst für einen Leihen wie mich klar, weshalb die Print-Medien ohne saubere Online-Strategie abkakken werden.

25. September 2007 um 15:08  
Anonymous Anonym meinte...

ja, da müssen sich offenbar einige leute warm anziehen. guter bericht, danke!

25. September 2007 um 15:57  
Blogger Jürg Stuker meinte...

Sehr guter Artikel! Ich spreche häufig mit Verlagen (nicht nur in der Schweiz) und ganz, ganz ehrlich. Ich verstehe die "Betriebsblindheit" nicht.

Es ist ja nicht so, dass sich die Welt ändern würde... sie hat sich bereits geändert. Bspw. die Frage der Mediennutzung von Menschen zwischen 18-25? Die Statistiken über sind auch bei den Verlegern omnipräsent, aber irgendwie ist Vogel Strauss lustiger als die Chance zu nutzen.

Die Print-Medien sind stark und ihre Chancen sind noch voll da. Aber noch ein paar Aussagen wie "Google hat Angst vor uns" und "wir machen mal auf Konkkurenzportal" und eine Einliefrung bei einem Arzt ist angesagt (so wie bei den Visionen)...

26. September 2007 um 10:39  

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